Logo-VerbraucherzentraleDer Versandmulti sammelt Euros seiner Kundschaft ein und tauscht sie um in Coins. Mit dem virtuellen Guthaben können Besitzer von Android-Geräten ihre App-Käufe bequem begleichen, lockt Amazon. Sogar Rabatt gibt’s in der Wechselstube. Doch die Haus-Währung birgt auch Nachteile. Keine Frage: Apps sind die Seele von Handy und Tablet. Viele der hunderttausenden Helferlein gibt’s gratis, viele gegen einen geringen Obolus. Bezahlt werden sie meist per Kreditkarte, Bankeinzug und Mobilfunkrechnung.

Oder neuerdings per Coin. So heißt die hauseigene Währung, die Versandhändler Amazon für seine Android-Welt kreiert hat. Um das Vertrauen der Kundschaft zu gewinnen, schüttet Amazon seine Münzen derzeit immer wieder mal für lau aus: beispielsweise beim Kauf seines Tablets „Kindle Fire“ oder ausgewählter Gratis- und Kauf-Apps. Belohnt wird auch, wer reale Cents im Verhältnis 1:1 in virtuelle Coins tauscht. Fünf verschiedene Pakete – zwischen 500 (5 Euro) und 10.000 Münzen (100 Euro) – stehen dabei zur Wahl. Für jedes gibt es Rabatt in der Wechselstube. Beim kleinsten Paket sind das vier, beim größten zehn Prozent. Das darf man getrost als kleinen Risiko-Abschlag sehen. Denn klar ist: Bei einer Pleite des Versandriesen wäre die Währung ohne Wert.

Mit Coins erledigt sich das Shoppen von Spielen und Software im Amazon-Reich bequem mit einem Click. Obendrein sind sie auch bei vielen sogenannten In-App-Käufen gültig. Auf diese Art kassieren Spiele- oder Programm-Entwickler direkt ab, wenn Zocker ein drittes Leben, ein magisches Schwert oder die Pro-Version runterladen. Wichtig dabei zu wissen: Bestellungen im Amazon App Store werden dauerhaft auf einer Daten-Cloud gespeichert. Muss etwa das Tablet oder Handy auf Werkseinstellung zurückgesetzt werden, ist ein Spiel so ohne Kosten erneut installierbar. Ohne Cloud-Sicherung bleiben jedoch viele In-App-Käufe. Die Folge: Die mit Coins oder Euros erworbenen Schwerter und anderen Game-Utensilien können nach einem Geräte-Neustart futsch sein.

Dagegen sind die Coins selbst offenbar unverwüstlich. Kritiker in den Foren monieren die kompakten Paket-Größen, die partout nicht zu den meist krummen Preisen der Apps passen wollen. Das ärgert, weil die strenge Regel gilt: Ganz mit Coins bezahlen oder gar nicht. Fast stets verbleibt ein Restbetrag. Deshalb werden neue gekauft, um die Alten verwenden zu können. „Dann schafft man es wieder nicht, den Saldo auf 0 zu bringen und so geht es weiter“, schimpft ein Nutzer.

Dieses perfide System funktioniert prächtig. Vor allem auch, weil auf den Hilfeseiten vom Tausch zurück in Cents nichts zu lesen ist.

Überhaupt lohnt es sich, einen Blick in die – nicht so ganz einfach auffindbaren – ABG zu werfen. Dort erlaubt sich Amazon, das Programm „jederzeit ohne Ankündigung ganz oder teilweise“ zu ändern, zeitweilig auszusetzen oder einzustellen.

Ein weiterer Dämpfer ist es zudem, wenn es in den Klauseln heißt, dass nicht alle Geräte die neue Währung unterstützen, dass „nicht alle Apps und In-App-Produkte mit Coins gekauft werden können“.

Besonders ärgerlich für Kunden ist, dass es kein einsehbares Coin-Konto gibt. Dagegen ist das Grundkonto gesättigt mit diversen Einkaufs- und Aktivitätsstatistiken. Coin-Fans erfahren gerade mal die Restzahl ihres Guthabens. Und die erscheint lediglich als kleiner Hinweis, wenn sich Produkte mit virtuellen Münzen bezahlen lassen. Das ist zu wenig. Denn was viele überlesen: Coin ist nicht gleich Coin. Anders als gekaufte Paket-Coins verfallen Restbeträge von Werbe- Münzen nach Ablauf eines Jahres. Davon sind auch Coins betroffen, die als Bonus etwa für den Kauf einer App ausgeschüttet werden. Immerhin verspricht Amazon, stets erst die ältesten Werbe-Coins und zuletzt die gekauften abzubuchen. Per Konto kontrollieren lässt sich das aber nicht.

Unter diesen Bedingungen gilt es, gut zu überlegen, beim Branchenprimus in Vorkasse zu gehen. Wer viele Coins ordert, profitiert zwar von der Rabattstaffel. Doch den tausenden Shopping-Punkten droht das Schicksal vieler Gutscheine und Guthabenkarten, die beispielsweise Groupon & Co. oder auch die App Stores von Google- und Apple verticken: Viele werden nie eingelöst. Falls doch sollten Kunden Obacht geben. Wegen der Treuebindung besteht nämlich die akute Gefahr, den Preisvergleich mit konkurrierenden App-Stores zu vernachlässigen. Und das kann sich, so das Ergebnis einer Stichprobe der Verbraucherzentrale NRW, durchaus rächen.

So gab es 30 beliebte Apps im Google-Store für 52,61 statt 56,34 Euro bei Amazon. Eine Ersparnis von immerhin 3,73 Euro oder 373 Coins. Das sind knapp 7 Prozent. Immerhin achtmal hatte Google im Vergleich die Nase vorn, dreimal Amazon. Fünfmal gab’s die Bezahl-App von Amazon bei Google gar gratis: bei Plague Inc. oder dem Taschenrechner Pro, bei Planet of the Cubes, Bike Race und dem Quiz Igenify.

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung wiedergibt.

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